Georg Toepfer
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Zweckbegriff und Organismus, Aus dem Vorwort

Hat die Beurteilung von Naturgegenständen nach Zwecken eine methodische Funktion in der Naturwissenschaft? – das ist die Frage dieser Studie.
Die Frage mag auf den ersten Blick verwundern, weil Zwecke zunächst auf das beabsichtigte Ergebnis des Handelns des Menschen bezogen werden und die Annahme einer Absicht in der Natur doch einer überwundenen Metaphysik der Vergangenheit angehört. Aber wenn Zwecke zunächst auch mit dem Handeln des Menschen verbunden gedacht werden, so werden sie doch seit jeher und noch immer auch auf anderes bezogen. Der Zweckbegriff erscheint nicht nur als Mittel, dem menschlichen Handeln eine Ordnung zu geben, sondern er wird auch systematisch für die Erkenntnis von Gegenständen der Natur eingesetzt. Allein diese letzte Hinsicht ist Thema der Untersuchung. In dieser Hinsicht war der Begriff des Zwecks immer umstritten. So wie es stets entschiedene Verfechter dafür gab, den Zweckbegriff als genuin naturphilosophisches Konzept zu verstehen, so gab es immer auch Kritiker, die diesen Begriff ganz aus der Naturlehre verbannen wollten, um ihn für den Bereich des Zwecke setzenden, bewussten Handelns zu reservieren. Neben dieser für den Bereich der Natur eliminativen Kritik des Zweckbegriffs steht ein anderes Programm der Kritik, dessen Ziel es ist, die Rede von Zwecken in eine bedeutungsgleiche, aber nicht auf diesen Begriff zurückgreifende Rede zu übersetzen.
In Bezug auf die Einschätzung des Wertes des Zweckbegriffs für die Erkenntnis der Natur lassen sich somit drei Strategien unterscheiden: Der Zweckbegriff kann als Fremdling der Naturlehre gedeutet werden, der allein in einem anderen Kontext als dem der Natur, nämlich dem bewussten Handeln, seinen eigentlichen systematischen Ort hat, so dass es darauf ankommt, die Naturlehre von diesem Begriff zu reinigen (Eliminationsstrategie). Zwecke können daneben als uneigentliche Redeweise für einen bestimmten Sachverhalt interpretiert werden, so dass es das Ziel sein muss, sie in die eigentliche Rede zu übersetzen (Übersetzungsstrategie). Und schließlich können Zwecke als genuin naturphilosophische, methodisch notwendige Begriffe verstanden werden, so dass es darauf ankommt, ihren Status zu erläutern und in Verbindung mit den anderen methodischen Begriffen der Naturlehre darzustellen (der Zweck als Methodenbegriff der Naturphilosophie). Das Ziel der Abhandlung wird es sein, die ersten beiden Strategien zu kritisieren und den letzten Weg als denjenigen darzustellen, der dem Begriff allein gerecht wird.
Auf dem Weg der Kritik wird zu zeigen sein, dass die begrifflichen Kosten der Strategien der Eliminierung oder Ersetzung des Zweckbegriffs zu groß sind, als dass man ihnen folgen sollte: Sie gehen mit einem Verlust an begrifflicher Differenzierung einher und erschweren es insbesondere einen präzisen Begriff des grundlegenden Gegenstandes der Biologie, des Organismus, zu entwickeln. In der Bestimmung dieses Begriffs sehe ich die Hauptaufgabe der naturphilosophischen Teleologie. Der Zweckbegriff hat also seinen naturwissenschaftlichen Ort am Anfang der Biologie.
Für die Begründung eines eigenen Standpunktes war es notwendig, die vielen Positionen zu dem alten philosophischen Thema der Teleologie, die sich in unterschiedlichen Traditionslinien entwickelt haben, in einem Überblick zu ordnen und in systematischem Zusammenhang zu diskutieren. Die Schwächen der diskutierten Positionen, insbesondere der zurzeit mehrheitlich vertretenen Auffassung, nach der die Teleologie ausgehend von der Evolutionstheorie zu begründen ist, machten einen grundlegenden eigenen Ansatz notwendig. Das Ergebnis meiner Untersuchung lässt sich schlagwortartig charakterisieren als die Interdeterminationstheorie der organischen Teleologie.
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